Die Einweihung
- apishorison
- 30. Juli 2023
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 31. Juli 2023
oder wie wir alle zu dicht wurden, um freie Wesen und nicht Wesen in Trance zu werden... gehalten wie in einem ZOO.
"Der Mensch erfährt nunmehr, was universeller Geist ist, universelle Seele. Wir Menschen denken über die sinnlichen Dinge nach, aber der Geist, der in uns lebt, den wir als Gedanken in uns erfahren, der den Gegenstand unseres Nachdenkens bildet, das ist derselbe wie die Weisheit, aus der die Welt aufgebaut ist. Wir könnten nicht die Welt mit ihren Gesetzen erkennen, wenn sie nicht aus diesen geistigen Gesetzen aufgebaut wäre. Die Theosophie lehrt, daß das, was im Menschen als Geist, als Manas lebt, wesensgleich ist mit dem, was im großen Universum lebt, mit Mahat. Der Manas des Menschen saugt die Weisheit aus dem Manas des Universums, aus Mahat. Oder sollte ein Mensch glauben, daß die Gesetze, die wir am Himmel wirksam sehen, nach denen sich die Sterne bewegen, nur in seinem Verstände eine Bedeutung haben? Der Mahat des gestirnten Himmels ist das Verstandes- und Vernunftelement draußen in der großen Welt, und was Sie davon erfahren, ist Manas, das Verstandes- und Vernunftelement der kleinen Welt.
Nun steigt der Allgeist, der Universalgeist, auf den Einzuweihenden herab. Der Einweihungspriester spricht die Worte: Dies ist mein vielgeliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe. - Der Betreffende, nunmehr Eingeweihte, weiß, was Weltengeist ist. Dann kann er den Glauben an den schöpferischen Weltengeist aus eigener Überzeugung aussprechen und sagen: Ich glaube an den göttlichen Vatergeist, der das Geistige, das auch das Himmlische genannt wird, und das Körperliche, das Irdische, gemacht hat. — Im christlichen Glaubensbekenntnis heißt es: Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater, der Himmel und Erde geschaffen hat. - Und dann ist dem Menschen eines klar geworden: daß er selbst in Wahrheit und Wirklichkeit seinen Ursprung aus demselben universellen Weltengeist genommen hat, der ihm hier im Geisteslande entgegentritt. Er weiß, daß er zur Tiefe heruntergestiegen ist in die sinnlich-physische Materie; er weiß aber auch, daß er heruntergestiegen ist aus göttlichen Welten und aus dem Geist stammt.
Er weiß, daß er die geistige Wesenheit, die er in sich tragt, aus dem Borne des göttlichen Vatergeistes selbst erhalten hat, daß er ein Strahl ist aus der Sonne des göttlichen Vatergeistes. Das wird er gewahr als eine wirkliche göttliche Kraft, als etwas, das er erfährt und von dem er unmittelbare Gewißheit hat. Er fängt an, einen neuen Glauben an die Menschheit zu gewinnen. Die Menschheit wird ihm zum eingeborenen Sohne Gottes, zu dem Sohne, von dem er in seinem Glaubensbekenntnis spricht: Ich glaube an den göttlichen Ursprung der Menschheit - an den Gott im Menschen selbst, wie die ägyptische Priesterweisheit das ausgedrückt hat - oder an den Christus im Menschen, der heruntergestiegen ist aus himmlischen Welten. Und dann wird ihm klar, daß der Mensch, bevor diese Zeiten in der Erdenentwickelung herangekommen waren, diese Zeiten, in denen wir jetzt leben, diese Zeiten, in denen die Menschen durch ihre Sinne wahrnehmen, in der ihre sinnlichen Triebe sie zu ihren Handlungen veranlassen -, es wird ihm klar, daß der Mensch, bevor er herabgestiegen ist in diese Sinnessphäre, in einer anderen, in einer rein geistigen Sphäre war.

Der Schüler hat jetzt das Geistesland kennengelernt, und er weiß, daß dieses Land das Land war, in dem der Mensch seinerzeit war als eingeborener Sohn Gottes, er weiß, daß der Mensch geboren ist aus jungfräulicher Geistmaterie - Maria oder Maja -, und er weiß, daß der Geistmensch Christus herabgestiegen ist in die sinnliche Materie, er weiß, daß dieser Geistmensch in jedem von uns enthalten ist und sich nach und nach durch die verschiedenen Inkarnationen entwickelt, er weiß, daß dieser Geistmensch von sinnlicher Körperlichkeit umgeben lebt, im physischen Körper lebt.
Die Dinge der äußeren Welt wirken sinnlich auf unseren Körper ein und bauen uns unsere Augen, unsere Ohren und die anderen Sinnesorgane auf. Innerhalb dieser körperlichen Sinnlichkeit leben wir und lassen die Welt in uns eindringen. Durch die Sinnesorgane schauen wir wie durch Fenster auf die äußere Welt; wir sind eingeschlossen in die sinnliche Materie und deshalb durch sie beschränkt. Rein und geistig ist der Christus, der in die Menschen einzieht; jungfräuliche Geistmaterie ist er. Nun ist er herabgestiegen in die zusammengezogene, sinnliche Materie. Diejenigen, die esoterisch sprechen, nennen das das Wasser oder das Meer. So heißt es zum Beispiel in der Genesis: Der Geist Gottes schwebte über den Wassern. - Das bedeutet, der Geist schwebt über der Materie.
Man nennt diese Materie griechisch auch «Pontos Pyletos», wörtlich zusammengezogenes Meer. Der Mensch ist eingezogen in diese zusammengezogene Materie, die seine Organe gebildet hat. Dadurch ist aus dem tätigen Wesen im Geisteslande ein Wesen geworden, welches passiv die Eindrücke durch die Sinnesorgane von außen empfängt: Passiv ist der Mensch geworden, ein Pontos Pyletos. Das unterscheidet das Anschauen in der geistigen Welt von dem Anschauen in der Sinnenwelt. Wenn wir in der geistigen Welt einen Gegenstand vor uns haben wollen, dann haben wir zuerst den Gedanken, und diesen Gedanken bildet der Geist im Geisteslande, das heißt, die Abbilder zu allem Schaffen findet der Mensch im Geisteslande. In der sinnlichen Welt nimmt der Mensch leidend auf, passiv geworden ist der Mensch.
Wir alle sind passiv geworden, gleichsam leidend in der zusammengezogenen Materie. Das war das ursprüngliche Bekenntnis des ägyptischen Priesterglaubens. Das ist das Symbolum, daß der Christus zu der Menschheit herabgestiegen ist, daß er Materie angenommen hat und passiv leidend wurde in dem zusammengezogenen Meer, in dem Pöntos Pyletos. Im Laufe der Zeit ging dies in das Christentum über, und dadurch, daß das Wort Pöntos Pyletos gründlich mißverstanden wurde, ist die mißverständliche Stelle im christlichen Glaubensbekenntnis entstanden, die heißt: «gelitten unter Pontius Pilatus», die nichts anderes ist als die angeführte Stelle des Glaubensbekenntnisses der ägyptischen Priester. Leidend ist der Mensch geworden; er ist nicht mehr aktiv, sondern passiv. Das ist derjenige Glaubensartikel, der im okkulten Symbolum die sogenannte Menschwerdung bedeutet. Hat nun der Einzuweihende erkannt, was in diesen tiefen Wahrheiten gesagt ist, dann sieht er sich solange um in der objektiven, sinnlichen Wirklichkeit, bis er in sich selber klar geworden ist, daß er nunmehr heruntersteigen kann in diese Sinnlichkeit, um aus Pflicht und in hingebender Selbstaufopferung innerhalb der sinnlichen Wirklichkeit zu wirken. Wenn er so weit ist, daß er nicht mehr die sinnlichen Triebe zu befriedigen sucht, sondern diese nur benutzt, um innerhalb der sinnlichen Welt zu wirken, dann ist er selbst ein Eingeweihter, dann ist er initiiert, dann hat er die feste Sicherheit, daß er durchschauen kann die allgemeine Weltengerechtigkeit. Früher lebte er in der Sinneswelt eingeschlossen, und unklar war ihm das Rätsel von Geburt und Tod, das Rätsel des ewigen Werdens.
Jetzt ist ihm klar, daß er ewig ist und erhaben über Geburt und Tod. Er sieht dasjenige, was veränderlich ist und gleichzeitig die urewige Weltengerechtigkeit, die wir in der theosophischen Sprache Karma nennen. Er ist zu einem Weisen geworden in Weltengerechtigkeit, er kann richten über Leben und Tod, oder, wie es bei den ägyptischen Eingeweihten heißt, über Geburt und Tod. Und jetzt glaubt er an die erhabene Gemeinschaft der leibbefreiten Geister. Nur in der sinnlichen Welt sind wir getrennt, im Devachan sind wir eine Gemeinschaft der leibbefreiten Geister. "
Und so du die Wahrheit erkannt hast, so darfst du sie nicht für dich behalten. - Wer die Wahrheit erkannt hat, darf sie nicht für sich behalten. Und wer sich berufen fühlt, sie zu sagen, der muß sie sagen, gleichgültig, wie sie aufgenommen wird.
Hoher als alles andere ist der Ruf aus der geistigen Welt, wenn wir ihn einmal vernommen haben.
Dieser Ruf erweckt in uns ein Bewußtsein, das ganz anders ist als alles Bewußtsein, das wir uns aus dem sinnlichen Dasein kennen. Und dann können wir aus der Anschauung des Geisteslandes heraus einen Spruch Salomons zu unserer Devise machen:
Deshalb flehte ich um Einsicht, und sie ward mir gegeben, ich rief den Höchsten an, und Weisheit ward meinem Geiste. Ich schätze die Wahrheit höher als alles dasjenige, was im Sinnenreiche um mich herum lebt. Der Weise schätzt die Weisheit höher als alle sinnlichen Reiche, die um ihn herum sind.
Deshalb versucht er es, diese Weisheit zu verkündigen.
Das soll eine Rechtfertigung dessen sein, was mich bewogen hat, über dieses subtile Gebiet des Daseins zu sprechen, obgleich ich weiß, wie diese Dinge mißverstanden werden können und wie schwierig es ist, darüber in einer einigermaßen verständlichen Sprache zu sprechen. Aber wenn wir diesen Ruf empfunden haben, dann lassen wir im Sinne der salomonischen Weisheit ihn austönen in die Worte:
Rudolf Steiner aus GA 088 Devachan
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